SFB 1368-S01 "Zentrale Analytik"
Prozesse und Wirkzonen in sauerstofffreier Atmosphäre zur Entwicklung zukunftsfähiger Produktionstechniken und Fertigungsverfahren
In allen technisch genutzten Schutzgas- und Vakuumatmosphären befinden sich noch ausreichend Sauerstoffmoleküle, die zu einer raschen Oxidation von Metalloberflächen führen. Dadurch sind viele Verarbeitungs- und Fügeprozesse in ihren Möglichkeiten limitiert. Der Sonderforschungsbereich 1368 „Sauerstofffreie Produktion“ beruht auf der Idee, dem Schutzgas Argon eine kleine Menge Silan (wenige ppm) beizumengen. Das Silan reagiert mit dem Restsauerstoff und Wasser in der Atmosphäre und senkt den Partialdruck des Sauerstoffs auf weniger als 10-23 bar. Dieser Partialdruck ist äquivalent zu extrem hohen Vakua (XHV-adäquate Atmosphäre). Der SFB befasst sich mit der Entwicklung und Erforschung konkreter produktionstechnischer Verfahren des Urformens, Umformens, Fügens, Trennens und Beschichtens in einer sauerstofffreien Umgebung.
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Teilprojekt S01 „ Zentrale Analytik“
Projektleiter: Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Maus-Friedrichs, Dr. rer. nat. René Gustus
Förderzeitraum: 01/2020 – 12/2027
Förderstelle: DFG
Bearbeiter: M. Sc. Maik Szafarska (01/2020 – 06/2024), M.Sc. Sascha Jan Zimmermann (01/2024 – 12/2027)
Das Teilprojekt S01 „Zentrale Analytik“ ist im Sonderforschungsbereich (SFB) schwerpunktmäßig als Serviceprojekt tätig. Das Projekt stellt eine zentrale Infrastruktur für Oberflächen- und Materialanalysen bereit und dient als zentrale Anlaufstelle für entsprechende Untersuchungen. Die Zentrale Analytik steht hierbei sowohl beratend als auch unmittelbar experimentell den Teilprojekten zur Verfügung. Die Analyse der Ober- und Grenzflächen ist essentieller Bestandteil der Forschung dieses SFBs. Eine Vielzahl von Fertigungsverfahren wird wesentlich durch die Beschaffenheit der Ober- und Grenzflächen der gefertigten Materialien bzw. Werkstoffe sowie der an den Ober- und Grenzflächen ablaufenden Prozesse und Mechanismen beeinflusst. Allen voran sind hier die chemische Zusammensetzung und die mikrostrukturelle Beschaffenheit sowie chemisch-physikalische Prozesse wie die Oxidation, die Desoxidation und die Interdiffusion zu nennen. Die relevanten Informationstiefen erstrecken sich hierbei von wenigen Nanometern bis hin zu einigen Mikrometern, sodass je nach Fragestellung verschiedene Verfahren aus dem Bereich der Oberflächen- und der Materialanalytik eingesetzt werden müssen. Für oberflächen- und materialanalytische Untersuchungen kann das Teilprojekt S01 auf die am Clausthaler Zentrum für Materialtechnik (CZM) vielfältig zur Verfügung stehenden Analysetechniken und Gerätschaften zurückgreifen. Das Spektrum erstreckt sich hierbei von Analysen der Elementzusammensetzung in verschiedenen Tiefen der Oberfläche über die Untersuchung der an den Oberflächen vorhandenen chemischen Bindungen bis hin zur Mikrostrukturanalytik. Die Zentrale Analytik übernimmt die Planung, Durchführung und Auswertung der Messungen, stellt die gewonnenen Ergebnisse in geeigneter Weise den beauftragenden Teilprojekten bereit und trägt somit zum Erkenntnisgewinn bei. Ferner unterstützt das Teilprojekt S01 die Teilprojekte im Zuge von Veröffentlichungen bei der Aufbereitung und Interpretation von Messergebnissen. Bei Bedarf organisiert die Zentrale Analytik darüber hinaus einen XHV-adäquaten Probentransport zur Analytik. Hierfür wird das in der ersten Förderperiode entwickelte Probentransfersystem eingesetzt. Mit diesem können Proben sauerstoff- und kontaminationsfrei von den Prozesskammern der Teilprojekte zu den Analysegeräten der Zentralen Analytik transportiert werden. Dieses Vorgehen wird vorrangig bei elektronenspektroskopischen Analyseverfahren wie der Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) sowie der Augerelektronenspektroskopie (AES) zum Einsatz kommen. Diese Verfahren zeichnen sich durch eine extrem hohe Oberflächenempfindlichkeit (Informationstiefe < 10 nm) aus und werden standardmäßig unter Ultrahochvakuumbedingungen 10-9 – 10-11 mbar (Sauerstoffpartialdruck typ. < 10-12 mbar) eingesetzt. Dies garantiert u. a., dass die Proben während der Untersuchungen nicht nachoxidieren bzw. nachreagieren können und so ein unverfälschter Blick auf die Probenoberfläche gewährleistet ist. In der ersten Förderperiode wurden die verschiedenen Analysemethoden und -techniken erfolgreich im Rahmen verschiedener Auftragsanalysen eingesetzt. Hierbei konnte die Zentrale Analytik wichtige Unterstützung bei der Aufklärung verschiedener ober- und grenzflächenrelevanter Fragestellungen leisten. In der zweiten Förderperiode werden die Auftragsanalysen aufbauend auf den entwickelten Techniken und den gesammelten Erfahrungen fortgeführt. Neben den geplanten Auftragsanalysen wird sich das Teilprojekt S01 zusätzlich mit eigenen Forschungsarbeiten zum Thema Wechselwirkung von Silan mit Wasser beschäftigen. Insbesondere werden Untersuchungen zur plasmaunterstützten Reaktion von Silan mit Wasser durchgeführt. Die Forschungsarbeiten beziehen sich hierbei auf gewonnene Erkenntnisse aus der ersten Förderperiode. Hier konnte mittels massenspektroskopischer Untersuchungen der Nachweis erbracht werden, dass, entgegen dem bisherigen Kenntnisstand, bei Raumtemperatur kein signifikanter Umsatz zwischen Silan und Wasser stattfindet. Erst bei erhöhter Temperatur (> 500 °C) lässt sich ein entsprechender Reaktionsumsatz beobachten. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass die Reaktion zwischen Silan und Wasser bei Raumtemperatur kinetisch stark gehemmt ist. Diese Erkenntnis ist von Bedeutung, da Wasser unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls oxidationsfördernd ist und auch das Aushärteverhalten von Klebstoffen beeinflussen kann. Im Rahmen der geplanten Forschungsarbeiten wird untersucht, inwieweit die Reaktionsfähigkeit mittels dielektrisch behinderter Plasmen (DBE) erhöht werden kann.